Textilindustrie und Klimawandel

Die Textilindustrie ist ein Gigant. Sie beeinflusst nicht nur unsere Kultur und Ästhetik, sondern auch unsere Ökonomie. Bei all den bunten Farben und modischen Styles, die die Branche hervorbringt, bleibt oft ein grauer Schatten zurück, der sich in Form des Klimawandels manifestiert. Die wachsende Produktion und der Konsum von Textilien treiben die Überschreitung der Planetaren Grenzen (Planetary Boundaries) voran. 

Planetare Grenzen

Die Konzeption der Planetaren Grenzen wurde entwickelt, um ein "sicheres Betriebsfeld" für die Menschheit auf der Erde zu definieren. In dieser Theorie werden neun kritische Systeme identifiziert, die die Stabilität und Resilienz unseres Planeten beeinflussen. Jede dieser Grenzen ist mit einer "Grenzwertschwelle" verbunden, die, wenn überschritten, zu irreversiblen und oft katastrophalen Änderungen im Funktionieren des Erdsystems führen kann.

Die Idee der Planetaren Grenzen wurde erstmals im Jahr 2009 durch Johan Rockström und ein Team von internationalen Wissenschaftlern dargelegt und in weiterführenden Arbeiten verfeinert (Rockström et al., 2009; Steffen et al., 2015).

 

Planetare Grenzen

Planetare Grenzen (nach Steffen et al.)

 

Die neun Planetaren Grenzen sind (im Schaubild entgegen des Uhrzeigersinns):

1. Klimawandel

Dies bezieht sich auf die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die die globale Erwärmung vorantreibt. Eine Überschreitung könnte zu einer destabilisierenden Veränderung des Klimasystems führen.

2. Intaktheit der Biosphäre (Verlust der biologischen Vielfalt)

Der rapide Verlust von Arten, hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten wie Landnutzung und Verschmutzung, beeinträchtigt die ökologische Stabilität und die Funktion von Ökosystemen.

3. Landnutzungsänderung

Die Umwandlung von natürlichen Ökosystemen in landwirtschaftliche oder urbane Gebiete beeinträchtigt die Biodiversität und kann zur Erosion und Degradation des Bodens führen.

4. Süßwasserverbrauch

Die Übernutzung von Süßwasser-Ressourcen für landwirtschaftliche, industrielle und häusliche Zwecke droht die Wasserversorgung in vielen Regionen der Welt zu erschöpfen.

5. Biogeochemnische Kreisläufe (Stickstoff- und Phosphorzyklen)

Übermäßige Verwendung von Stickstoff und Phosphor in der Landwirtschaft führt zur Eutrophierung von Wasser-Ökosystemen und kann das Leben im Wasser erheblich schädigen.

6. Versauerung der Ozeane

Die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre durch die Ozeane führt zu einer Versauerung, die marine Ökosysteme und speziell Kalk bildende Organismen wie Korallen beeinträchtigt.

7. Atmosphärischer Aerosolgehalt

Die Emission von Aerosolen durch menschliche Aktivitäten beeinflusst sowohl das lokale als auch das globale Klima und kann die menschliche Gesundheit beeinträchtigen.

8. Ozonabbau in der Stratosphäre

Der Abbau der stratosphärischen Ozonschicht durch chemische Verbindungen wie CFCs beeinträchtigt den natürlichen UV-Schutz der Erde, was zu gesundheitlichen und ökologischen Problemen führen kann.

9. Einführung neuer, gefährlicher Substanzen

Dies bezieht sich auf Chemikalien, Nanomaterialien und andere menschengemachte Substanzen, die potenziell schädliche Auswirkungen auf die Erde haben könnten.

Die Planetaren Grenzen und die Textilindustrie

Die Textilindustrie steht an einem kritischen Punkt, an dem sie sowohl für die Wirtschaft als auch für die Umwelt enorme Auswirkungen hat. Die wachsende Produktion und der Konsum von Textilien treiben die Überschreitung der Planetaren Grenzen (Planetary Boundaries) voran, ein Konzept, das neun globale Prioritäten identifiziert, innerhalb derer die Menschheit sicher operieren kann (Steffen et al., 2015). In diesem umfassenden Blogbeitrag möchten wir den Einfluss der Textilindustrie auf diese Planetaren Grenzen erörtern und die dringende Notwendigkeit einer nachhaltigen Transformation hervorheben.

Klimawandel

Die Textilindustrie ist für etwa 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verantwortlich, was rund 10% der gesamten industriellen CO2-Emissionen ausmacht (Ellen MacArthur Foundation, 2017). Durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen in der Produktion und den Transport von Textilien wird die CO2-Konzentration in der Atmosphäre erhöht, was die globale Erwärmung beschleunigt. Der weltweite Ausstoss an Treibhausgasemissionen durch die Textilindustrie ist höher als alles was durch internationale Flüge und die internationel Seeschiffahrt zusammen verursacht wird. In der Europäischen Union ist der private Konsum von Textilien laut Greenpeace der viertgrößte Verursacher von Umwelbelastungen (nach Lebensmittel, Wohnen und Transport). Aber auch hier ist nicht jede Faser gleich zu betrachten. Bio Baumwolle zum Beispiel hat auf Faserebene sogar einen negativen Ausstoss, da die Pflanze CO2 bindet. Allerdings sind wir mit dem wahnsinn der Fast Fashion Industrie weltweit auf einem Weg zu immer mehr CO2 Ausstoss in der Textilindustrie.

Die Europäische Komission stellt in Ihrer EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien fest:

"Die weltweite Textilproduktion hat sich zwischen 2000 und 2015 fast verdoppelt und der Verbrauch von Bekleidung und Schuhen wird bis 2030 voraussichtlich um 63 % von derzeit 62 Mio. Tonnen auf 102 Mio. Tonnen im Jahr 2030 ansteigen." (Quelle)

CO2 Ausstoss Textilindustrie

Wassernutzung

Der Wasserverbrauch in der textilen Lieferkette ist ein kritischer Faktor, der die planetaren Grenzen in Bezug auf den globalen Süßwasserhaushalt belastet. Wasser wird in nahezu jedem Schritt der textilen Produktionskette benötigt, und die Auswirkungen sind weitreichend.

Anbau von Fasern / Herstellung von Fasern

Der erste Schritt in der textilen Supply Chain ist der Anbau von Fasern wie Baumwolle. Besonders beim konventionellen Anbau von Baumwolle mit unkontrollierter Bewässerung wird extrem viel Wasser verbaucht. Den Anbau von Bio-Baumwolle sollte man hingegen differenziert betrachten, wie wir hier in unserem Blogbeitrag zum Thema Bio-Baumwolle und Wasser etwas ausführlicher ausgeführt haben. Baumwolle wird immer als der größte Wasserverbraucher aufgeführt, jedoch führt diese Betrachtung in die Irre, wenn Baumwolle mit Regenwasser und den natürlichen Zyklen des Wetters bewässtert wird. 

Hier muss sich die "Art" des Wassers genauer betrachten. In der Wasserverbrauchsanalyse werden oft drei verschiedene Arten von Wasser unterschieden: grünes, blaues und graues Wasser. Hier eine kurze Erklärung:

  • Grünes Wasser: Dies bezieht sich auf das in Bodenfeuchte gespeicherte Wasser, das Pflanzen durch Transpiration und Evaporation verlieren. Es ist im Wesentlichen Regenwasser, das direkt von den Pflanzen genutzt wird.
  • Blaues Wasser: Dies bezieht sich auf Oberflächen- und Grundwasser, das in größeren Mengen in Stauseen gespeichert oder für Bewässerungssysteme abgezweigt wird. Es ist das Wasser, das durch menschliche Aktivität aus Flüssen, Seen oder Grundwasserreservoiren entnommen wird.
  • Graues Wasser: Dies bezeichnet das Wasser, das benötigt wird, um verschmutztes Wasser zu verdünnen oder zu reinigen. Es handelt sich im Grunde um das Wasser, das zur Aufbereitung von Abwässern, die durch Produktion und Konsum erzeugt wurden, benötigt wird.

Die Herstellung von synthetischen Textilfasern wie Polyester, Nylon und Acryl hat hingegen erhebliche Auswirkungen auf den "blauen" Wasserverbrauch. Synthetische Fasern werden hauptsächlich aus Erdöl gewonnen. Der Prozess der Erdölgewinnung selbst erfordert eine Menge Wasser, sowohl für die Bohrung als auch für die Verarbeitung des Rohöls. Die Polymerisation, der Prozess, durch den die Basismaterialien zu synthetischen Fasern verarbeitet werden, benötigt ebenfalls Wasser, hauptsächlich als Kühlmittel und Lösungsmittel für chemische Reaktionen. Im späteren Produktionsstadium werden die Fasern texturiert und durch Spinndüsen gedrückt. Beide Prozesse können wasserintensiv sein, vor allem wenn man bedenkt, dass die Fasern oft mit chemischen Lösungen behandelt werden müssen, die anschließend aus dem Abwasser entfernt werden müssen.

Dass (Bio) Baumwolle also der größte Wasserverbraucher auf Faserebene ist, ist ein Mythos. Es ist vor allem wichtig, genau hinzuschauen, um welche Faser es sich genau handelt um den Wasserfussabdruck und die Belastung der planetaren Grenzen zu analysieren. Betrachtet man vor allem auch, dass weltweit mehr als 60% aller produzierten Fasern heutzutage snythetische Fasern sind, so schllägt der Wasserverbrauch proportional weit aus höher ins Gewicht. 

Faserproduktion Textilien

 

Färbung und Veredelung

Im Färbungs- und Veredelungsprozess werden große Mengen Wasser benötigt, um Stoffe zu bleichen, zu färben und zu behandeln. Dieses Wasser ist oft mit Chemikalien belastet und kann, wenn es nicht richtig behandelt wird, in lokale Wasserstraßen abgeleitet werden, was zu Umweltverschmutzung und Beeinträchtigung der aquatischen Ökosysteme führt. Die Textilindustrie trägt zu 20 % der globalen Wasserverunreinigung bei, eine Menge, die ausreichen würde, um 110 Millionen Menschen ein Jahr lang mit Trinkwasser zu versorgen! Die negativen Auswirkungen der Textilproduktion auf unsere Wasser-Ökosysteme zeigt die ORF Weltjournal Reportage "Buntes Gift - Umweltkiller Kleidung" extrem eindrucksvoll:

 

 

Endverbraucher

Schließlich wird Wasser auch beim Waschen und Pflegen der Kleidungsstücke durch den Endverbraucher verbraucht. Oftmals werden Kleidungsstücke aus billigem Material hergestellt, die nicht langlebig sind und häufiger gewaschen werden müssen, was den Wasserverbrauch weiter erhöht. Der Wasserverbrauch einer Waschmaschine pro Waschzyklus variiert z.B. auch je nach dem Modell und dem ausgewählten Programm. Während ältere Geräte, die 20 Jahre oder älter sind, bis zu 200 Liter pro Durchlauf verbrauchen können, sind moderne Waschmaschinen mit Wasser sparenden Funktionen ausgestattet und können den Verbrauch auf weniger als 35 Liter reduzieren. 

Chemische Verschmutzung und Landnutzung

Durch den Einsatz von Pestiziden in der Baumwollproduktion und die Verwendung von Chemikalien in der Textilfärbung kommt es zu ernsthaften Problemen der Chemikalienbelastung. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, sondern auch auf die biologische Vielfalt. Giftige Chemikalien können in die Gewässer und den Boden gelangen und sowohl die aquatischen als auch die terrestrischen Ökosysteme beeinträchtigen. Beispielsweise können Azofarbstoffe, die in der Textilindustrie verwendet werden, beim Abbau aromatische Amine freisetzen, die krebserregend sein können. Außerdem sind viele dieser Chemikalien resistent gegen biologischen Abbau und können sich in der Umwelt anreichern. Dies hat langfristige Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit. Mikroplastik als Verschmutzer der Weltmeere und aquatischen Systeme ist hier natütlich ebenfalls zu nennen.

Eine Überischt gefährlicher Chemikalien, die leider immer noch unkontrolliert Einsatz in der Textilindustrie finden, gibt es hier bei Greenpeace.

Landnutzung

Die Textilindustrie wirkt auch sehr stark auf das Thema Landnutzung ein. Unsbesondere durch den Anbau von Baumwolle, aber zunehmend auch durch die Verwendung sogenannter MMCF (Man-Made-Cellulosic-Fiber), also künstlicher Zellulosefasern die aus Holz hergestellt werden. Im Jahr 2022 hat die Nichregierungsorganisation Canopy Planet berichtet, dass etwa 70 Millionen Bäume global für die Herstellung von Textilien abgeholzt wurden. Die Organisation prognostiziert, dass sich diese Zahl in den kommenden zwei Jahrzehnten wahrscheinlich verdoppeln wird. Canopys Untersuchungen zeigen auf, dass die Textilindustrie häufig auf Holz aus gefährdeten Waldgebieten zurückgreift. Insbesondere werden Viskose und ähnliche Materialien wie Kunstseide und Modal zunehmend aus Holz von einigen der weltweit am stärksten gefährdeten Wälder produziert, darunter der Regenwald in Indonesien und die borealen Wälder im hohen Norden. Dies führt zu extremen Landnutzungskonflikten. Die Aktivitäten der Fast Fashion Industrie führen zu Bodenerosion, Landdegradierung und dem Verlust von natürlichen Lebensräumen. Im Hot Button Report von Canopy, sieht man welche Faserhersteller besonders skrupelos vorgehen und welche Faserhersteller zu den Guten gehören (die Firma Lenzing aus Österreich etwa).

Die konventionelle und intensive Baumwollproduktion ist besonders problematisch, da sie nicht nur große Flächen benötigt, sondern auch erhebliche Mengen an Wasser verbraucht. 

Umweltauswirkungen Textilien

Fazit:

Es besteht dringender Handlungsbedarf zur Reduzierung der negativen Auswirkungen der Textilindustrie auf die Planetaren Grenzen, insbesondere in den Bereichen Chemische Verschmutzung und Landnutzung. Umweltschonende Innovationen in der Herstellung, Verarbeitung und im Recycling von Textilien können einen Beitrag dazu leisten, diese Auswirkungen zu minimieren und den Übergang zu einer nachhaltigeren Textilindustrie zu beschleunigen. Die Verwendung von zertifizierten Textilien, z.B. Naturtextilien die nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS) hergestellt sind, leisten einen wichtigen Beitrag, die planetaren Grenzen nicht zu übersteigen.

Dies zeigt sich sehr deutlich am Beispiel Bio-Baumwolle. Aber auch neue, innovative recycelte Fasern oder nachhaltig hergestellte Cellulose Fasern können den Druck von den Ökosystemen nehmen, und den Beitrag der Textilindustrie zum Klimawandel senken. Am Ende des Tages gilt wie bei allen Dingen: weniger vom Guten ist besser als zuviel vom Schlechten!

Vorteile Bio Baumwolle

GOTS Infotafel

Notwendige Schritte für eine nachhaltige Transformation

  • Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Verbraucher sollten in der Lage sein, die gesamte Lieferkette eines Produkts nachzuverfolgen.
  • Zertifizierungen: Labels wie GOTS (Global Organic Textile Standard) können dazu beitragen, dass Verbraucher nachhaltigere Entscheidungen treffen.
  • Recycling und Kreislaufwirtschaft: Etablierung von Systemen für das Recycling von Textilien und die Kreislaufwirtschaft.
  • Technologische Innovation: Fortschritte wie wasserlose Färbungstechniken oder der Einsatz von nachhaltigen Materialien können einen enormen Unterschied machen.
  • Politische Rahmenbedingungen: Es sind strenge Vorschriften und Anreize erforderlich, um die Industrie zur Einhaltung nachhaltiger Praktiken zu bewegen.

Die Überschreitung der Planetaren Grenzen durch die Textilindustrie ist eine ernste Angelegenheit, die sofortige Aufmerksamkeit erfordert. Durch eine Kombination von Verbraucheraufklärung, technologischer Innovation und politischer Regulierung können wir hoffentlich eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Textilindustrie schaffen.

 

 

 

Quellen:

Steffen, W., et al. (2015). "Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet." Science, 347(6223).
Rockström, J., et al. (2009). "A safe operating space for humanity." Nature, 461(7263), 472-475.
Ellen MacArthur Foundation. (2017). "A new textiles economy: Redesigning fashion's future."
WWF (2013). "The Impact of Cotton on Freshwater Resources and Ecosystems."

Mekonnen, M. M., & Hoekstra, A. Y. (2010). The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products. Hydrology and Earth System Sciences.
UN Environment Programme. "Sustainable Fashion: How to Make It a Reality."
Ellen MacArthur Foundation. (2017). "A new textiles economy: Redesigning fashion’s future."

Water Footprint Assessment of Polyester", Water Footprint Network
Shen, Liwen, et al. "Environmental impact of polyester and other synthetic fibres", Journal of Cleaner Production, 2017.
"The Hidden Cost of Water Use in the Textile Industry", World Resources Institute Report, 2019.

Global Organic Textile Standard (GOTS)

Titelfoto von Marek Piwnicki via Unsplash